Mit der 750 F1 hatte Ducati Mitte der Achtziger Jahre eine heutzutage selten auf Straßen zu findende Replika der damals so erfolgreichen F1- Werksrenner auf den Markt gebracht. Daneben gab es verschiedene F1-Sondermodelle und die von Bimota gestaltete und in Handarbeit gebaute DB1 mit dem legendären 750er V2 Motor der Pantah. Unser Autor und Fotograf setzte sich auf seine F1 und traf sich mit zwei Gleichgesinnten auf eine Klassenfahrt durchs Tirol.
An einem der heißesten Wochenende im Juli hat es nun nach mehrmaliger Terminverschiebung mit dem kleinen Klassentreffen endlich geklappt. Als Treffpunkt hatten wir die erste Tiroler Raststätte auserkoren, an der noch schnell voll getankt und die Rucksäcke sogleich geschultert wurden. Dass dort bereits einige der rastenden Urlauber ihre Handys zucken und das farbenfrohe Zweizylinder-Concerto-Forte begeistert festhalten, hätten wir nicht erwartet. Aber die Zeiten ändern sich glücklicherweise und man muss nicht mehr wie damals Ende der Achziger von zahlenmäßig überlegenen Japan-Fans mit ihren FZR-GPZ-CBR Randgruppenwitze über sich ergehen lassen…
Derartig beflügelt rollen wir im Lechtal gemütlich an, bis wir dann am Hahntennjoch-Aufstieg erstmals die Drehzahlen erhöhen und die genutzte Reifenauflagefläche verbreitern. Immer wieder ideales und geliebtes Terrain für die leichten und Drehmoment starken V2-Motoren, denn das Hahntennjoch war für uns immer schon die erste ‘richtige’ Passstrecke, wenn wir kleine Ausflüge ins benachbarte Tirol unternommen hatten. Mit meiner Standard ’86er F1 führe ich den Mini-Tross an, gefolgt von Haralds ’87er F1 mit dem auf 782ccm vergrößerten Hubraum und Jörgs ’86er Bimota BD1 mit dem F1 840ccm Big-Bore-Kit. Schön der Leistungs-Reihe nach dem Gipfel entgegen.
Nachdem Mensch und Maschine auf Betriebstemperatur sind, mischen wir erst einmal durch. Obwohl gleiches Modell, sitzt es sich auf der ein Jahr jüngeren aber mit ebenso knapp 60.000 Kilometer gefahrenen F1 vollkommen anders. Beide Eigentümer haben im Laufe der gut 25 Jahre an ihren Maschinen Hand angelegt und sie auf sich zugeschnitten – im wahrsten Sinne des Wortes, denn meine modifizierte F1-Endurance- Sitzbank, die ich zufällig mal bei einem Teileflohmarkt erstand und passend machte, ergibt im Vergleich mit den leicht höher gelegten Fußrasten an Haralds F1 eine erstmal ungewohnte aber angenehme Sitzposition. Dazu noch dieses unverschämt bequeme Original-Sitzpolster und meine jahrelang mühsam aufgebaute Work-Life- Balance ist dahin. Aber gut Sitzen ist nicht alles, denke ich mir und wundere mich in den ersten Kurven sogleich, um wie viel leichter sich diese Maschine mit ihren 17 Zoll PVM-Magnesium-Räder im Vergleich zu meinen 16/18 Zoll Oscam-Eisenbahn felgen lenken lässt. Dass der Unterschied in diesem Maße auffällt, überrascht mich eben immer wieder aufs Neue. Ein weiterer Unterschied ist die veränderte Motorcharakteristik. Die originale 88mm-Bohrung wurde auf 90mm vergrößert, das Drehzahlspektrum durch die Renn-Nockenwellen nach oben verschoben und so braucht diese F1 deutlich mehr Drehzahl um ihr Leistungspotenzial zu entfalten. Größere Kolben, Ventile und stabilere Pleuel sind in KomEisenbahnbination mit den 40er Dell’Orto (im Vergleich zur 36mm Original-Bestückung) sicherlich perfekt für die Rennstrecken-Ausrichtung des Aggregats, aber nicht unbedingt für die engen Tiroler Bergpässe. Als wir dann im Lechtal weiter Richtung Vorarlberg donnern und ich die Gänge in den lang gezogenen Kurven nun später wechsle, zeigt sich der Unterschied natürlich gleich und lässt erahnen, welchen Schub diese Kiste auf einer Rennstrecke entfalten könnte.
Kurz vor dem Hochtannbergpass wird wieder durchgetauscht. Umsteigen auf die Bimota, oder besser gesagt, einschmiegen in die Monocoque-Form der DB1. Auch wenn es mir mit meinen 1,90 Meter Körperlänge nicht leicht fällt meine Knie unterzubringen, fühlt es sich erstmal gut an. Man sitzt tief in der Mulde, zwar fast so unbequem wie auf einem Designer-Sofa (nur wegen der langen Beine natürlich), aber man hat sofort das Gefühl sehr eng mit dieser Maschine verbunden zu sein. Sehr kompakt alles, irgendwie moderner, obwohl sie eigentlich genau so alt wie meine F1 ist. Aber mit nur 12.000 Kilometern auf dem Zähler steht sie da wie neu. Es ist eben kein Fahrzeug, mit der bei Wind und Wetter durch halb Europa gefahren wird. Naja, die F1 eigentlich auch nicht, aber… Informationen über Produktionszahlen der handgebauten Edelbikes aus Rimini variieren zwischen 453 und 500 Stück (F1 Standard wurde zwischen 1985 und 1987 etwa 1800 Mal gebaut). Es gab zusätzlich noch verschiedene Renn-Versionen (S/RS/SR) in geringerer Auflage. Jörgs DB1 bekam irgendwann ein 840ccm Big- Bore-Kit eingepflanzt, 40er Dell’Ortos, NCR-Nockenwelle, große Ventile, NCR- 2-1 Auspuff-Anlage und zwei 16 Zoll Marvic- Magnesiumräder. Ansonsten sei alles im Originalzustand belassen. Sie fährt sich wie ein Moped, fällt fast von alleine in Schräglage. Lediglich das Bremsen in der Kurve macht keinen Spaß, weil das kleine Vorderrad das Motorrad unschön aufrichtet. Sie möchte nicht gebremst werden, könnte man meinen. Verständlich, denn der Motor läuft gut und enorm rund, in jedem Drehzahlbereich hat er mehr als die anderen anwesenden F1-Motoren an Leistung zu bieten. Ich möchte gar nicht mehr absteigen – kann ich ja auch nur schweren Beines. Aber kurz vor dem Furkajoch müssen wir erstmal Tanken. In herrlicher blauer Stunde lassen wir die rot-weiß-grünen Pferdchen dann noch einmal los und erfreuen uns, jeder wieder auf seinem vertrauten Heimat-Italogestühl sitzend, am kurvenreichen Furkajoch bevor wir uns um ein Nachtquartier kümmern.
Am nächsten Morgen geht’s dann durch zahlreiche Au’s (Mellau, Bizau, Bezau, etc.) den Bregenzer Wald weiter entlang zum Allgäuer Riedbergpass. Endlich wieder Bergkurven fahren, in dieser verkehrsreichen Gegend. An einer Allgäuer Tankstelle endet dann leider abrupt unsere heitere Klassenfahrt, als die Bimota wieder mal schlecht anspringen will und sich dabei im Inneren der Vollverkleidung ein sich scheinbar angestauter Benzin-Dampf entzündet und blauer Rauch aus den wenigen Monocoque-Öffnungen dringt. Schnell versuchen wir mit im Angebot stehenden destilliertem Wasser das kleine Feuer zwischen den beiden Zylindern zu löschen, was uns aber nicht gelingt. Endlich finden wir den Feuerlöscher und das weiße Pulver erfüllt seinen Zweck: Brand gelöscht. Totenstille und Unfassbarkeit macht sich breit. Aber was für ein Glück, dass gleich ein Feuerlöscher parat stand und wir nicht am Berg einer abbrennenden Bimota zusehen mussten. Trotzdem wird nach Entfernen der Verkleidungsteile schnell klar, dass auch der Kabelbaum ziemlich durch ist und an ein Weiterfahren nicht gedacht werden kann.
Inzwischen ist die Wiederherstellung der DB1 in vollem Gange und es sieht gut aus. Sicher können wir unser kleines 80er Jahre- Klassentreffen im nächsten Jahr fortsetzen. Und wer weiß, vielleicht gibt es bis dahin noch weitere Customizing-Aktivitäten an den Bella Macchinas. Oder wir dürfen neue Mitfahrer begrüßen? Meldet euch, Ragazzi Ducati del ’80!
Text und Fotos: Hermann Köpf
No Comments